Edgard Davids

Edgard Davids
Die Redbull Airrace in Barcelona war für mich ein besonderes Ereignis. Einerseits fand dieser Event am Strand einer meiner Lieblingsstädte statt. Andererseits hatte ich zum ersten Mal seit dem Anfang meiner Verkaufstätigkeit VIP Kundschaft mitgebracht. Es war nicht einfach, die VIP Tickets für diese Show zu verkaufen. Nicht nur der Preis in Höhe von fast 1000 Euro war aus meiner Sicht überzogen, sondern das gesamte Konzept passte nicht. Die inoffizielle Meisterschaft in Fliegen wurde als eine Art kostenloses Event weltweit angeboten. Eine Million Menschen kamen durchschnittlich zum Strand, um sich das anzuschauen. Nur wenige davon waren bereit, so viel Geld auszugeben, um im aufgestellten Zelt gediegene Speisen und Getränke zu genießen. Meine Kunden zogen auch irgendwann außerhalb des Zeltes, um draußen besser die Energie der Menge zu spüren und in einer der Restaurants am Strand frisch gegrillten Fisch und Wein zu genießen.
Mir ging es gut unter den VIPs. Ich hatte ein Glas mit gekühltem Weißwein in der Hand und genoss die kleinen Häppchen, die schöne Mädchen anboten.
"Veso, Du hast doch lange Fußball gespielt oder? Magst Du Edgard Davids kennenlernen?"
"Klar, amigo! Jeder, der Fußball mag, würde gerne Edgard Davids kennenlernen"
"Komm, ich stelle Dich vor!"
Mario führte mich in den hinteren Bereich der VIP Bereiche. Alles war in weißer Farbe. Die Tische, die Decken, die Wolken, das Licht, die Uniformen des Bedienungspersonals. Ich hatte auch ein weißes Hemd an und folgte ihm. Interessanterweise habe ich Mario nicht durch meinen Job im Verkauf der VIP Bereiche für Redbull Airrace, sondern einige Jahre davor, auf einer griechischen Insel kennengelernt. Wir blieben in Kontakt und so wie das Leben spielte, war er dabei, mir einen bekannten Fußballspieler vorzustellen.
Ich kannte Edgard Davids von der Zeit, als er als Spielmacher bei Juwe agierte und den Spitznamen "Der Buldog" genoss. Ich wusste, dass er davor bei Ajax und Inter und danach bei Barca und Tottenham spielte. Seine dominante Präsenz auf dem Spielplatz, die körperliche Stärke, die excellente Technik, die Rasterlocken, die Brillen mit den den orangen Rahmen prägten seinen Stil und Image. Der Spielmacher der holländischen Nationalmannschaft hatte surinamische Vorfahren. Pele hat ihn in eine Auswahl der hundert besten Fußballspieler der Weltgeschichte mitgenommen.
"Edi, das ist Veso! Veso, das ist Edi!", stellte uns Mario vor.
Edgard war ein Kopf kleiner als ich. Er hatte Jeans und blaues Hemd an und saß gelassen mit paar Freunden auf einem weißen Sofa. Hätte ich nicht gewusst, dass es sich um den weltbekannten Fußballspieler handelte, würde ich ihn nie im Leben erkennen. Eher würde ich ihn für einen Rastermann halten, der am liebsten am Strand sitzt, Regea Musik hört und ganz entspannt an einem Joint zieht.
"Nice to meet you!"
"Nice to meet you!"
Wir tauschten Höflichkeiten aus, schüttelten die Hände mit seinen Freunden und schauten uns die Show im Himmel an.
"Edgard, Veso ist im Verkauf der VIP Tickets für FIFA tätig. Wenn Du ein Ticket für ein Spiel brauchst, ist er der richtige Mann dafür"
"Ha ha", lachte Edgard gelassen.
"Normalerweise werde ich bezahlt, um als VIP an solchen Spielen anwesend zu sein", fügte er hinzu. Er hatte eine lockere, natürliche Art und es fühlte sich angenehm an, in seiner Gesellschaft zu sein. Wir plauderten noch eine Weile und tauschten Telefonnummer aus. Ich wünschte ihm und seinen Freunden viel Spaß in Barcelona und machte mich auf dem Weg zu meinen Kunden.
"Hast Du gesehen, wer Edi mitgenommen hat?", fragte Markus aufgeregt.
"Zwei Jungs, die ich nicht richtig erkennen konnte. Waren das auch Fußballspieler?"
"Junge, die Hitze macht dich zu schaffen. Du hast eben die Hand von Xavi geschüttelt und konntest ihn nicht mal erkennen"
"Xavi?!? Ist es Dein Ernst?"
Mario lachte sich krumm und nickte mehrmals mit seinem Kopf.
"Sag bloß nicht, dass der andere Messi war. Das würde mir lebenslang nicht verzeihen!", versuchte ich lustig zu sein. Gleichzeitig fragte ich mich, wie ich Xavi nicht erkennen konnte. Er sah aber wirklich so unscheinbar. In den Medien wurde er ganz anders dargestellt. So war es mit den meisten Personen, die im Zentrum der Öffentlichkeit standen. Irgendwann nimmt man sie nicht als normale Menschen wahr, sondern schränkt man sich darauf ein, wie sie in den Hochglanzmagazinen und auf den Bildschirmen präsentiert werden.
Ich blieb mit Edgard in Kontakt. Er fragte für paar Spiele während der Weltmeisterschaft in Brasilien nach Tickets, aber entweder wollte er nicht so viel Geld ausgeben oder organisierte durch seine Kontakte Einladungen zu den Spielen.
So kam es zum Kongress Ethics in Sports in der FIFA Zentrale. Der verehrte Leser würde bestimmt einen Widerspruch sehen, dass so eine Veranstaltung bei FIFA durchgeführt wird. Zuerst wird dieses Event nicht vom WeltFußballverband, sondern vom spirituellen, indischen Lehrer Sri Sri Ravi Shankar und seine Stiftung Art of Living ins Leben gerufen und zweitens war es die Zeit des großen Umbruchs bei FIFA. Blatter trat zurück. Infantino wurde gewählt. Viele hochrangige Funktionäre wurden im Züricher Fünf Sterne Hotel verhaftet und vor New Yorker Gericht gestellt. Ich half ehrenamtlich bei der Veranstaltung und nutzte meine Fußbalkontakte, um einen höheren Bekanntheitsgrad des Events zu verleihen. Freund von mir aus Berlin willigte ein zu moderieren. Andere Bekannten, die in Katar als Berater für die WM tätig waren, akzeptierten die Einladung aufzutreten. Ein Freund, der auch bei Slavia Sofia gespielt hatte und später in der Schweiz zum Torschützenkönig der ersten Liga wurde, rief mich an:
"Danke schön für die Einladung, Veso! Ich würde gerne kommen, aber ich verstehe eins nicht: Werde ich diesen Betrag von 850 SFR bekommen oder muss ihn zahlen?"
"Weder noch, mein Lieber! Die Ehreneinladungen sind kostenfrei!", beruhigte ich ihn.
Jeder wollte den neuen FIFA Präsidenten kennenlernen. Infantino hat sich davor als stellvertretender UEFA Generalsekretär einen Namen als großzügiger Gastgeber gemacht. Er ließ unter anderem Diego Maradona höchstpersönlich bei Freundschaftsspielen in seinem Dorf in den Schweizer Alpen auftreten und belohnte ihn wahrscheinlich dementsprechend. Schließlich sagte man in den Fußballkreisen, daß er mit UEFA die FIFA erobert hätte und damit eine Firma mit einer Geldreserve von über eine Milliarde Schweizer Franke führte. So fragte ich Edgard, ob er Interesse hätte, dabei zu sein. Zuerst zögerte er.
"Ich weiß nicht, worüber ich reden könnte", wandte er ein.
Nachdem ich ihn mit dem Direktor der Organisation in Verbindung brachte, der auch surinamische Wurzel hatte und Holländer war, ließ er sich überzeugen. Das Deal mit allen eingeladenen Gästen war, dass die Reisekosten übernommen, aber keine Honorare ausgezahlt werden. Die Broschüren wurden gedruckt. Die Einladungen wurden abgeschickt. Prominente Persönlichkeiten aus der Fußball- und Sportwelt sollten zusammen mit den Vorsitzenden der Ethic Kommission von FIFA zusammensitzen und über verschiedene Themen diskutieren. Infantino sollte die Eröffnungsrede halten. Christopher Daum, Willi Lemke, die mehrfache slowenische Olympia Siegerin Tona Maze und Detlef Soost gehörten dazu. Menschen aus aller Welt reisten an, um dabei zu sein. Edgard Davids war als Vertreter der Fußballwelt eine Art Gesicht der Veranstaltung. Eine Woche davor versuchte ich vormittags gegen 11:30 Uhr bei ihm anzurufen, aber er nahm nicht ab. Dann schickte ich ihm eine What´s app Message:
"Good morning, mate how are you doing? Looking forward to see you next week in Zurich. Cheers from Berlin!"
Die Antwort kam am früheren Abend.
"ok man! When is that thing again?"
"thas thing", nannte Edgard David den Ethic in Sports Kongress, bei dem er als Vertreter der Fußballwelt eine wichtige Botschafterrolle spielen sollte. Er vergaß sogar, dass es nächste Woche losging. Ich begriff, dass die Veranstaltung ihn nicht so sehr beschäftigte und keineswegs zu den Prioritäten auf seinem Plan gehörte. Ich fragte mich, ob er wirklich dabei sein würde. Die Zeit ging schnell.
Der Event war ausgebucht. Die Räumlichkeiten auf dem Zürich Berg waren voll mit offiziell angezogenen Menschen. Hochrangige Vertreter der Fußball- und Sportwelt tauschten sich mit dem damaligen Vorsitzenden der Ethikkommission der FIFA Eckert aus. Der Kommunikationsdirektor der FIFA, viele Geschäftsführer von Nichtregierungsorganisationen, Rechtsanwaltskanzleien und Unternehmensberatungen ließen sich blicken. Edgard Davids erschien nicht. Nach der Ansicht seines Assistenten wollten die Organisatoren seine Reisekosten von Dubai nach Zürich nicht übernehmen. Die Organisatoren bestritten das. Aus der Presse erfuhr ich, dass er in dieser Zeit auf der Eröffnung des Restaurants von Diego Maradona in den Arabischen Emiraten auftauchte. Vielleicht stimmte doch mein erster Eindruck von ihm. Ich stellte mir vor, wie er mit Diego an einem der endlose Strände Dubais auf dem feinen Sahara Sand locker saß, den Sonnenuntergang verträumt beobachtete und unter den Klängen der arabischen Musik eine Wasserpfeife genoß.














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