Sting
Sting
Es
war ein sonniger Tag in der zweiten Hälfte Aprils. Ich saß im Foyer
eines Hotels im Zentrum von Monaco und wartete auf meine Verabredung.
Das Hotel galt als ein der besten und teuersten im kleinen,
ausgeputzten Fürstentum und befand sich nicht weit vom lokalen
Casino, das eine der größten Sehenswürdigkeit des kleinen Landes
darstellte.
Der
weiße Marmorboden glänzte vor Sauberkeit und war im Einklang mit
der hellen Farbe der bequemen Ledersessel. Die riesigen, grünen
Pflanzen sahen fast wie Bäume aus und verliehen dem Foyer ein
exotisches Aussehen. Ein riesiger Blumenstrauß roter Lilien stand in
einer großen Glasvase auf einem Podest und der frische Duft der
Blumen war überall spürbar. Prächtige Kronenleuchter hingen in der
Mitte des Foyers. Eine leichte Klaviermusik reimte sich auf das
Geräusch fließenden Wassers. In solchen Momentan kam ich an das
Gefühl der Unsterblichkeit nah heran. Alles schien so perfekt zu
sein, dass man den Tod schnell aus den Augen verlieren konnte.
Im
Foyer war wenig los. Zwei junge Damen, die Miniröcke anhatten, saßen
auf ihren Sesseln und schienen so wie ich auf ihre Verabredung zu
warten. Sie trugen viel Make Up und kleine, edle Handtaschen. Es gab
noch ein älteres Ehepaar, das sich diskret auf Schwitzer Deutsch
miteinander unterhielt und eine Gruppe von vier Männern, die zu weit
von mir saßen, um mir ein Bild von ihnen machen zu können.
Es
war nicht mein erstes Mal im kleinen Fürstentum. Monaco war mir
dadurch bekannt, dass er weder Einkommen- noch Erbschaftsteuer erhob,
noch im Ausland begangene Steuerdelikte verfolgte. So machte es sich
beliebt unter den großen Gaunern dieser Erde. Fast 80% der
Bevölkerung waren Ausländer. Sehr vermögende Ausländer. Um sich
dort einen Wohnbesitz leisten zu können, musste man pro Quadratmeter
zwischen 50.000 und 100.000 Euro zahlen.
Die
Fußballmannschaft von Monaco ist zu 66,6% im Besitz eines russischen
Oligarchen. Sein Name ist Dmitri und er zählt laut Forbes zu den
100 reichsten Menschen der Erde. Ich wusste noch, dass er ein knappes
Jahr in Russland wegen Mordverdachts saß. Das ging mich aber ganz
und gar nicht an. Ich war froh, dass die Firmenleitung Interesse an
den VIP Tickets für die WM hatte und musste einen der Manager des
Clubs treffen. Ich war 20 Minuten früher gekommen und versuchte die
Illusion der Unsterblichkeit auszuleben, als ein dünner,
großgewachsener Herr mit langen, fettigen, schwarzen, lockigen
Haaren und weiße Cordhose das Foyer betrat. Er passte nicht so
richtig zu der Umgebung. Eher sah er wie ein Künstler aus. Wäre er
15-20cm größer gewesen und hätte er Vollbart gehabt, würde ich
ihn für weltbekannten Flamenco Sänger Diego El Cigala gehalten.
Bestimmt kam er aus Andalusien oder war ein Araber. Wahrscheinlich
spielte er ein Musikinstrument oder sang oder beides, dachte ich mir,
als zwei gut gebaute, weißhäutige und kahlköpfige Männer in
schwarzen Anzügen ihn umkreisten. Ich empfand es als sehr unhöflich,
wie nah sie an ihm standen und überlegte, dass in der heutigen Zeit
allein Arabisch auszusehen Probleme mit sich brachte. Der dünne Mann
machte einen komplett konfusen Gesichtsausdruck und wirkte
eingeschüchtert. Er war offensichtlich nicht daran gewöhnt, mit
solchen Situationen klarzukommen. Ich merkte, dass die blonden
Security Typen ihm den Zutritt ins Foyer versperrten. Von der Seite
sah es so aus, als ob ein ausgemagerter, langhaariger Kranich von
zwei großen, muskulösen Adlern umkreist war. Ich überlegte, wie
ich ihm helfen könnte. Sollte ich zum Kranich gehen und um ein
Autogramm bitten und so tun, als ob ich für Diego el Cigala halten
würde? Dann hörte ich eine klare Männerstimme, die laut und klar
auf Englisch im Foyer die Frage stellte:
"Was
ist los? Warum halten Sie ihn auf?"
Ein
Mann aus der 4-er Gruppe stand auf und schritt zügig in die Richtung
des Geschehens. Er hatte kurze, helle Haare und bewegte sich schnell.
Er trug weiße Leinenhose, ein weißes Hemd und von weitem sah er wie
ein Engel aus. Ich sah, wie er die Security Typen zur Rede stellte.
Ich merkte, wie ihre Gesichter rot anliefen. Sie versuchten leise und
diskret zu bleiben, wie sich bei einer peinlichen Situation in einem
5* Hotel gehörte. Der Engel, der dem Kranich zur Hilfe eilte, sprach
aber weiter so laut und deutlich, dass ich ihn gut verstehen konnte.
"Ach
so - er darf nicht zu uns, weil er kurze Hosen anhat?!?“
Seine
Stimme klang sanft, aber bestimmend. Das war mit Sicherheit ein Mann,
der sich seines Powers bewusst war.
„Warum
dürfen dann die jungen Damen, die da mit ihren Miniröcken auf dem
Sofa sitzen, doch ins Hotel rein?"
Die
Hotelwächter waren verunsichert. Sie hatten mit einer solchen
Entwicklung nicht gerechnet. Ich sah, wie der eine etwas ins
Mikrophon einflüsterte. Der andere nahm einen Schritt zurück und
wartete offensichtlich auf Anweisungen.
"Wissen
Sie was?!", hörte ich den Engel sagen und sah, wie er seine
Leinenhosen auszog und mit Unterhose vor der Security Männern stand.
"Holen
Sie schnell den Hoteldirektor! Er sollte mich aus Ihrem Hotel
herauswerfen!", ordnete er an und nickte mit seinem Kopf.
Das
hatte offensichtlich die Glatzen überfordert, die so schnell wie sie
aufgetaucht sind auch weg waren.
Der
Engel zog seine weiße Leinenhose hoch, umarmte seinen arabisch
aussehenden Freund und führte ihn zu seinem Tisch hin. Im Hotelfoyer
war es wieder still. Das Schweizer Ehepaar schien so mit einem
Reiseführer beschäftigt zu sein, dass sie nichts bemerken konnten.
Wenn man die Schweizer kennt, weiß man, dass es dabei nur um ein
Ablenkungsmanöver handelte und dass sie in die kommenden Wochen mit
dem eben Geschehen beschäftigt sein werden. Die beiden Damen mit
Miniröckchen kicherten. Die Adler waren auf einmal weggeflogen.
In
diesem Moment kam der russische Vertreter der Firma, die AC Monaco
besaß und stellte sich auf Englisch mit einem starken russischen
Akzent vor.
"How
do you do, my name is Sergey. Nice
to meet you!"
Er
war ein junger Herr mit kurzen, ordentlich gekämmten Haaren. Er trug
einen braunen Anzug und eine Rosa Krawatte. Insgesamt machte er den
Eindruck, dass er gut in der Schule war und darüber hinaus auf die
Anweisungen seiner Eltern in seinem bisherigen Leben gehört hatte.
Er
überreichte mir eine Visitenkarte und nahm Platz.
"Sergey,
wir können auf Russisch reden. Haben Sie das gesehen?"
Er
nickte zufrieden mit dem Kopf und sagte mit einem breiten Lächeln:
"Ich
arbeite seit zwei Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nicht
erlebt! Sie haben Glück! Bei einer privaten Striptease Show von "The
English man in New York" dabei zu sein - das gelingt nicht
jedem"
"The
English man in New York? Was
meinen Sie?"
"Sting
höchstpersönlich! Haben Sie ihn nicht erkannt?"
"Wow-
war das wirklich Sting?"
"Ja,
er hat ein Konzert hier-ich gehe hin."
Von
Sting wusste ich, dass er mit Frau und vier Kindern seinen
permanenten Wohnsitz auf dem Land in Toskana hatte. Ich hatte
gelesen, dass er zweimal täglich jeweils 20 Minuten meditierte und
Yoga praktizierte. Jetzt sah ich zum ersten Mal live.
"Hut
ab!", konnte ich nur sagen, bevor ich meinen Computer
herausholte.
Dieser
Mann zeigte mir, was einen Menschen im Gedächtnis anderer wirklich
unsterblich machte.
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