Tihomir und die deutsche Sprache - Teil 1
Tihomir
und die deutsche Sprache - Teil 1
Tihomir war vor zwei Monaten in Deutschland
angekommen, um auf einer Baustelle zu arbeiten. Von Beruf war er Mathematiklehrer.
12 Jahre lang hatte er in der Grundschule seiner Kleinstadt in Bulgarien
unterrichtet. Seine Frau übte Druck auf ihn aus, nach Deutschland zu gehen, um
Geld zu verdienen. Sie erwartete ein zweites Kind und wollte ihr Haus ausbauen.
Tihomir nutzte die Sommerferien, um ihren Wunsch zu
erfüllen. Über eine Vermittlungsagentur fand er einen Job als Bauarbeiter in Berlin.
An der Baustelle arbeiteten viele Männer aus
Osteuropa. Die meisten kamen aus Polen und Lettland. Tihomir konnte außer
Bulgarisch auch Russisch und ein wenig Englisch. Das erleichterte die
Kommunikation mit seinen Kollegen. Nach
der Arbeit bemühte er sich, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Er hatte ein
Lehrbuch mit CD mitgenommen und wenn er nicht zu müde war, übte er abends
deutsche Grammatik und Redewendungen.
Er bedauerte es, nicht mehr lernen zu können. An
einem grauen Morgen kam es zu seiner ersten Sprachprüfung. Tihomir wartete an
der U-Bahn Station Spichernstrasse auf die U-Bahn.
„Entschuldigen Sie, wie komme ich von hier zur
Berliner Strasse?“, fragte ihn ein junges Mädchen.
Das Mädchen hatte ihre langen Haare in zwei Zöpfe
geflochten und schaute ihn erwartungsvoll an. Sie war nicht älter als 12 Jahre
und erinnerte ihn an seine Schülerinnen in Bulgarien.
Tihomir wusste, dass es von der Spichernstrasse bis
zur Berliner Strasse drei Stationen
waren. Jetzt war die Zeit gekommen, um zu sehen, ob er das auf Deutsch erklären
konnte.
Er bemühte sich die richtigen Worte zu finden, aber
sie fielen ihm einfach nicht ein.
Wie konnte er diesem Mädchen am besten erklären,
dass es in drei Stationen austeigen sollte. Er sah die U-Bahn kommen, atmete
tief ein und aus, lächelte das Mädchen an und sagte:
„U-Bahn fahren. Du fahren.
U-Bahn fahren. Du fahren.
U-Bahn fahren. Du NICHT fahren.“
Das Mädchen lächelte zurück und sagte:
„Danke schön“
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