Die hübsche Perserin
Die hübsche Perserin
Es war ein heißer Tag im Juli. Ich war mit meinem
Fahrrad auf dem Weg zum Plötzensee und hielt an einem Second Hand Shop in
Wedding an. Es gab eine riesige Holzstatue von einer ägyptischen Göttin vor der
Tür neben Kisten voller alten Büchern. Ich ging an der Göttin vorbei und
schaute mir die Bücher an. Danach wollte ich mich im Laden umschauen, als ich
feststellte, dass die Eingangstür zu war.
„Bestimmt ist sich der Ladenbesitzer Kaffee holen
gegangen“, dachte ich und wollte mich weiter mit den Büchern beschäftigen, als
eine interessante Frau an mir vorbeiging und auch in den Laden hineingehen
wollte. Sie hatte ein enges, rotes Kleid an, das ihre üppigen Formen betonte
und lange, glatte, schwarze Haare, die bis zu ihrem schönen Po reichten.
„Der Laden ist zu, aber bestimmt kommt der Besitzer
bald wieder“, sagte ich zu ihr. Sie drehte sich um. Ein schönes, südländisches
Gesicht mit vollen Lippen stand vor mir. Dunkelbraune, geheimnisvolle Augen
schauten mich an. Die Dame ging auf mich zu und als sie direkt vor mir stand,
sagte sie:
„Ich habe dich bereits gesehen.“
Sie strahlte viel Sexappeal aus und schaute mir in
die Augen so, dass meine Knie weich wurden. Ihr Duft war süß.
„Na ja, ich bin schon eine Weile hier...“, versuchte
ich eine Antwort zu geben.
„Nein, nicht hier! Weißt du nicht mehr wo?“
Ich schaute sie an. Bestimmt hätte ich mich daran
erinnern können, wenn ich so eine Frau schon einmal gesehen hätte. Gleichzeitig
wollte ich unser Gespräch nicht unterbrechen. Ihre Stimme war so weich und ihre
Lippen waren so einladend.
„Wo?“
„Weißt du nicht mehr? Du warst mit einem Freund...“
Bestimmt verwechselte sie mich mit jemandem, aber
das war nicht so wichtig. Wichtig war, dass wir im Gespräch blieben. Bestimmt
verwechselte sie mich mit jemandem, aber das war mit egal. Wichtig war nur,
dass wir im Gespräch blieben, denn ich führte zu diesem Zeitpunkt ein recht
monotones Leben und war für jede Abwechslung dankbar.
„Wo kommst Du her?", fragte ich sie.
„Aus Persien. Und Du?“
Eine hübsche Perserin, die Gegenfragen stellte und
mir Aufmerksamkeit schenkte. Das streichelte mein Ego. In diesem Augenblick erschien
der Ladenbesitzer. Ein junger, blonder Kerl, der seinen Laden zügig aufschloss
und uns mit einem Lächeln begrüßte. Die Perserin fing an, verschiedene Vasen zu
kaufen, zu feilschen und hatte bestimmt fünf oder sechs Gegenstände
ausgehandelt, die sie unbedingt haben wollte und für den nächsten Tag
reservierte. Ich kaufte einen Korkenzieher.
„Wollt ihr jetzt zusammen eine Flasche Wein
aufmachen?“, scherzte der Ladenbesitzer.
„Gehen wir!“, sagte die Perserin zu mir und griff mit
ihrer Hand meinen Daumen.
Wir liefen 30 Meter nebeneinander, ohne zu reden.
Ich wusste nicht genau, wohin sie mich bringen wollte, stellte aber keine
Fragen. Wir betraten eine menschenleere Gaststäte. Sie wählte einen Tisch am
Fenster aus und setzte sich hin. Ich folgte ihr. Als die Kellnerin kam,
bestellte sie einen Cappuccino und ich nahm ein Glas Weißwein.
„Ich war eine reiche Frau...“, fing sie an zu
erzählen, ohne dass ich sie dazu aufgefordert hatte.
„Ich hatte viel Geld, aber mein erster Mann
verspielte alles. Er hat unser ganzes Vermögen in Casinos verspielt.“
„Ich war sehr hübsch...“
„Du bist immer noch sehr hübsch!“, wandte ich ein.
Sie tat so, als ob sie es überhört hätte, und setzte ihre Geschichte fort:
„Jetzt muss ich wieder von Null anfangen. Ich habe
eine Tochter und einen Sohn.“
„Wie alt sind sie?“
Sie überlegte. Wenn sie auf die Frage antworten
würde, könnte ich mir in etwa ihr Alter ausrechnen. Sie war bestimmt über 40.
Dann sagte sie:
„Mein Sohn ist 20, meine Tochter 17.“
„Dann bist du sehr jung Mutter geworden.“, blieb ich
dabei, ihr Komplimente zu machen.
Sie redete über ihre Geldprobleme und ich hörte ihr
zu. Nach 5 Minuten schlug sie mir vor, dass wir zusammen eine Wohnung mieten
könnten. Ich dachte, diese Dame wäre nicht ganz normal. Sie schaute auf ihre Uhr.
Sie trug eine zierliche, vergoldete Uhr, die gut zu ihrem Auftritt passte. Ihre
Hände waren klein. Sie hatte lange, dunkelrote, manikürte Nägel, die mit
winzigen, weißen Blümchen geschmückt waren. An der linken Hand trug sie einen
goldenen Ring mit einem kleinen, roten Rubinstein.
„Ich muss gleich los“, riss sie mich aus meinen
Beobachtungen.
„Um 15 Uhr wartet jemand auf mich am Hauptbahnhof,
um mir 20 Euro zu geben. Oder kannst du mir dieses Geld geben?“
Sie sagte den letzten Satz leiser. Ich tat so, als
ob ich es nicht gehört hätte und fragte:
„Bitte?“
Sie wiederholte den Satz nicht. Offensichtlich
schämte sie sich, Geld von jemandem direkt zu verlangen. Aber dass sie zusammen
mit mir in eine Wohnung ziehen wollte, das war irre. Etwas stimmte hier nicht
ganz. Ihre teure, goldene Uhr, ihre Maniküre, die bestimmt auch einiges
kostete, und die Tatsache, dass sie 2 Kilometer zu Fuß bis zum Hauptbahnhof
laufen sollte, um 20 Euro abzuholen.
Es war auch ein Widerspruch, mit einer schönen Frau
zusammen an einem Tisch zu sitzen und nichts als Beschwerden über ihr Leben zu
hören. Normalerweise redete der Mann in einer solchen Konstellation und pries
seine Qualitäten an. Bis jetzt war ich aber nur passiv. Ich hatte nicht viel
Zeit zur Verfügung, wenn ich das ändern wollte.
Sie saß auf dem Stuhl neben mir und musste gleich
los. Ihr Parfüm hatte eine süße Note. Etwas zwischen Pfirsich und getrockneten
Feigen.
Zwischen uns gab es eine Distanz von 50-60
Zentimeter. Man sagt, dass die größte Distanz zwischen einem Mann und einer
Frau die Distanz bis zum ersten Kuss sei.
„Wenn zwei Zungen in einem Mund sind, kann der Mund
nicht länger reden", dachte ich mir.
Ich hörte sie weiter über Geldprobleme sprechen und
konzentrierte mich auf die Schönheit Ihrer Lippen. Meine rechte Hand bewegte
sich wie von alleine auf ihren Mund zu. Zuerst berührte ich mit dem Daumen ihre
Lippen so, als ob ich sicher sein wollte, dass sie echt wären. Dann glitt der
Daumen sanft in ihren Mund hinein, so dass sie mit dem Reden aufhören musste. Wenn
ein Daumen in einem Mund war, konnte der Mund auch nicht reden.
Sie war sichtlich überrascht. Sie zog ihre
Augenbrauen hoch und schaute mich an. Sie konnte sich nicht weiter beschweren.
Nach 2-3 Sekunden zog sie langsam ihren Kopf zurück und sagte empört:
„Was soll das?! So was macht man nicht! Du kannst
nicht einfach meine Lippen berühren und
deine Finger sind bestimmt dreckig.“
Dann spuckte sie neben den Tisch. Offensichtlich
hatte sie Angst vor Viren, die in ihren Mund gelangt sein konnten.
„Keine Angst, ich habe meine Hände letzte Woche
gewaschen“, versuchte ich sie mit einem kleinen Witz zu beruhigen.
„Nein! Das geht ganz und gar nicht!“, wiederholte
sie immer wieder, stand auf und rannte auf die Toilette.
Ich nutzte ihre Abwesenheit, um die Rechnung zu
begleichen.
„Was für eine seltsame Begegnung?!“, dachte ich mir.
„Was du suchst, das sucht dich auch“, lautete ein
Sprichwort.
Ich war durcheinander und zog aus diesem Grund auch
nur verwirrte Menschen an.
Als sie zurückkam, sagte sie:
„Jetzt müssen wir los, sonst komme ich zu spät.“
Ich stand auf, begleitete sie zum Ausgang und hielt
ihr die Tür auf. Als sie an mir vorbeiging, flüsterte ich ihr ins Ohr:
„Jetzt musst du langsam laufen, aber wenn du siehst,
dass die Kellnerin uns hinterherrennt, musst du auch losrennen.“
Die hübsche Perserin schaute mich verständnislos an.
„Wie bitte?“
„Genau wie du gehört hast. Schön langsam und wenn
die Kellnerin uns hinterherkommt, rennen wir los. Ich habe kein Geld und habe
nicht bezahlt.“
„Das stimmt nicht. Du machst Witze.“
„Leider ist es bitterernst. Wenn du die Kellnerin
kommen siehst, rennen wir beide los!“
„Das macht man nicht. Du spinnst“, sagte die
Perserin und schüttelte ungläubig ihren Kopf.
„Wir könnten vielleicht ein anderes Mal zahlen...“,
sagte sie. Dann zögerte sie ein wenig, ging einige Schritte zurück und machte
die Tür der Gaststäte wieder auf, aber ohne mich aus ihrem Blick zu verlieren.
Hätte ich wirklich nicht gezahlt und wäre ich
losgerannt, würde sie alleine da stehen.
„Auf Wiedersehen“, sagte sie zu der Kellnerin und
die Kellnerin antwortete mit einem Lächeln. Die Perserin lachte laut und
erleichtert auf und lief mit erhobenem Kopf hinter mir her.
„Ha ha– du bist ein Spaßvogel. Gib mir mal deine
Telefonnummer.“
„Wir sehen uns bestimmt wieder, wenn es sein soll“,
antwortete ich.
„Du willst mir deine Telefonnummer also nicht geben?
Bestimmt hast du eine Freundin“, sagte sie, bevor sie sich auf den Weg zum Hauptbahnhof machte.
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