Stefan Raab oder Günther Jauch
Stefan
Raab oder Günther Jauch
Die
inoffizielle Weltmeisterschaft in Fliegen mit kleinen Flugzeugen war
eine der aufregendsten Shows, die ich in meinem Leben sehen durfte.
Die weltbesten Piloten mussten auf Donau vor der Kulisse des
ungarischen Parlaments um den Titel der Redbull Airrace ringen. Auf
dem Fluss waren riesige, weiße Türme aufgeblasen. Die kleinen
Flieger sausten mit einer Geschwindigkeit von ca. 400
Stundenkilometer an sie vorbei und wenn ein der Türme berührt
wurde, sollten Sekunden zu der Zeit des Piloten addiert werden.
Die
Firma Redbull war kreativ, sich eine Art Formel 1 im Himmel
auszudenken. Es wurden absichtlich so attraktive Orte ausgesucht,
dass die Kulisse grandios wirkte. Istanbul, San Francisco und
Barcelona gehörten dazu. Die Show wurde immer am Nationalfeiertag
Ungarns am 20. August in Budapest eröffnet. Redbull hatte eine
Schweizer Agentur mit der Vermarktung der VIP Bereiche beauftragt.
Ich kannte einen der Partner dieser Agentur, der davor bei einer FIFA
Agentur tätig war.
Als
er mich fragte, ob ich Lust hätte, dabei zu helfen, die VIP Tickets
zu vermarkten, stimmte ich sofort zu. Ich sah es als Chance, etwas
Neues auszuprobieren und interessante Menschen und Orte
kennenzulernen.
Die
Sonne schien. Im hellblauen Himmel über die ungarische Hauptstadt
waren keine Wolken zu sehen. Die VIP Bereiche waren in einem
riesigen, weißen Zelt vor dem Nationalparlament platziert. Das war
ein grandioses Gebäude, dessen Fassade mit ihren neogotischen
Elementen mich an solche Einrichtungen in Wien erinnerte. Das war
kein Wunder, weil als es gebaut wurde, Budapest Teil des
österreichisch-ungarischen Reiches war. 40 Millionen Steine und 40
Kilos Gold wurden für diesen Bau damals verwendet. Die Zeiten hatten
sich geändert. Für knappe 1000 Euro konnte man gute 200 Jahre
später in einem riesigen, weißen Zelt gegenüber dem Parlament zu
den Ausgewählten gehören, die die feinen Gerichte genossen,
hochkarätige Weine tranken und eine dicke Zigarre rauchten.
Als
ich zum ersten Mal nach Budapest kam, um die Show zu sehen, blieb mir
vor Begeisterung der Atem im Hals stecken. Was die Piloten mit ihren
Miniflugzeugen im Himmel veranstalteten, war für mich der Inbegriff
der Freiheit. Die kleinen Flieger manövrierten im Himmel herum, als
ob er ihnen gehörte. Sie flogen unter die massiven Brücken über
Donau und brachten die Menge der Zuschauer ins Entzücken. Ungefähr
eine Million Menschen schauten sich die Show live an. Als ich am
Abend danach am Tisch zusammen mit dem russischen und französischen
Piloten speiste, musste ich feststellen, dass sie nicht so gesprächig
waren. Das waren ehemalige Militärpiloten, die so gut in ihrem Beruf
waren, dass sie von Redbull für den Wettbewerb ausgewählt wurden.
Sie wirkten zurückhaltend und waren auf ihr Essen konzentriert. Ich
wollte gerne sie aus der Reserve locken. Schließlich kam nicht so
oft vor, dass ich mit zwei der weltbesten Piloten dinieren durfte.
"Dürfte
ich Sie etwas fragen?", eröffnete ich das Gespräch. Der Russe
reagierte nicht. Er war um 50 und schnitt mit dem Messer gekonnt ein
großes Stück Steak auseinander.
"Nur
zu!", munterte mich der Franzose auf. Er war ca. 10 Jahre
jünger, hatte kurze, lockige Haare und lebendige Augen.
"Das
was ihr im Himmel macht, ist es besser als Sex?"
Der
Russe hob seinen stechenden Blick vom Teller. Sein Aussehen erinnerte
mich an die Helden dieser Actionfilme, bei denen sich Männer durch
ihre Härte durchbissen. Sein Dreitagebart, die kleinen hellblauen
Glasaugen auf seinem blassen Gesicht und seine dunkle Haare, die so
kurz geschnitten wurden, als ob sie den Windwiederstand beim Fliegen
minimieren sollten, machten auf mich den Eindruck eines Mannes, der
viel im Leben bereits durchgemacht hatte. Seine Stimme klang rau.
"Zum
Fliegen brauchst du eine Maschine. Für Sex brauchst Du eine Frau",
antwortete er, nahm mit sicherer Handbewegung einen Schluck Wasser
und fügte hinzu:
"Es
kommt sehr darauf an, was für eine Maschine und was für eine Frau
Du bekommst"
Ich
dachte über seine klare Argumentationslinie nach. Das klang wie ein
Russenwitz, als sich der Franzose einmischte:
"Sex
ist für mich definitiv besser, aber jedes Mal, wenn ich im Flieger
sitze, frage ich mich, warum ich nicht beides gleichzeitig haben
könnte"
Ich
musste lachen. Der Russe wollte nur das Beste. Der Franzose wollte
alles haben. Die Antwort der Männer war für mich ein Beweis, dass
die Klischees über die verschiedene Völker und ihre kulturelle
Eigenartigkeit auf Erfahrungswerten basierten.
In
diesem Moment erschien ein Mann, den ich von irgendwo kannte. Er war
weder groß noch klein und relativ gut gebaut. Er hatte kurze, helle
Haare, lebendige, blaue Augen und einen Schnauzbart. Er stand einen
Meter von unserem Tisch entfernt, hatte ein Glas Prosecco in der Hand
und sah so aus, als ob einen Platz suchen würde.
"Wollen
Sie sich nicht zu uns setzen?", fragte ich ihn. In den VIP
Bereichen konnte man immer interessante Menschen kennenlernen und er
machte mich neugierig. Ich hatte keinen Fernseher zu Hause, aber er
kam mir bekannt vor. Bestimmt war er in Magazinen oder Kinofilmen in
Deutschland zu sehen.
"Wir
reden gerade darüber, ob Fliegen in diesen kleinen Maschinen besser
als Sex ist", erklärte ich ihm, um ihn ins Gespräch
einzubeziehen.
Wenn
er lachte, konnte man 80% seiner Zähne sehen. Er blieb aber
nebenbei stehen und hielt seine Distanz. Plötzlich fiel mir seinen
Namen auf. Das war Stephan Raab.
"Sind
Sie Stephan Raab?", fragte ich ihn direkt.
"Nein!",
antwortete er.
"Günther
Jauch!"
"Wie
peinlich!", dachte ich mir und überlegte, wie ich mich aus der
Situation herausreden konnte. Glücklicherweise kam in diesem Moment
kam Freund von ihm und die beiden entfernten sich von uns.
Ich
drehte mich zu den beiden Piloten und erklärte:
"Ich
lebe seit länger als 10 Jahre in Berlin, habe aber keinen Fernseher
und habe eben einen bekannten deutschen Moderator mit einem anderen
verwechselt"
Der
Russe reagierte nicht und war bereits dabei, den Nachtisch zu
verschlingen. Die Mischung von Vanille mit Kürbiskernschrot schien
ihm gut zu schmecken. Der Franzose lächelte und sagte:
"Keine
Sorgen! Kein großes Ding! Deutsche Männer sehen sowieso alle gleich
aus."
Ich
mochte die Denkweise des Franzosen. Er schien ein positiver Mensch zu
sein. Hatte Kurt Tucholsky damals gesagt, dass man die Franzosen
lieben muss, um sie zu verstehen und die Deutschen verstehen muss, um
sie zu lieben?
Eine
Woche später sah ich auf einer Straße in Berlin ein Werbeposter von
Jogurt mit Günther Jauch und musste lachen.
Der
Spaßvogel Stephan Raab hatte mich in Budapest einfach auf den Arm
genommen und sich als Günther Jauch ausgegeben. Der französische
Pilot hatte Recht: deutsche Männer könnten sehr ähnlich sein. Sie
waren locker, lachten viel und nahmen sich nicht so ernst.
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