Die Integration der Bulgaren in London und in Berlin

Die Integration der Bulgaren in London und in Berlin 
 
Ivan war ein Abenteurer. Er fuhr quer durch Europa per Anhalter. Er hatte schulterlange, dunkelbraune, lockige Haare und immer die gleichen Jeans an. Materielle Dinge interessierten ihn wenig. Lieber las er philosophische Bücher –Krishna Muti, Dalai Lama und Deepak Chopra gehörten zu seinen Lieblings-schriftstellern. Ivan vertraute dem Leben und hatte keine Angst davor, draußen auf einem Feld oder in einem Wald zu übernachten. Als ich ihn traf, hatte er gerade einige Monate in London verbracht.

Wir saßen in einem Café im Zentrum von Sofia und genossen unseren Kaffee und das sanfte Licht der Dämmerung.

„London ist kalt und teuer. Die Leute sind da so distanziert und übertrieben freundlich. Wie konnte ein freier Geist wie Du es so lange dort aushalten?", fragte ich ihn.
„Viele Bulgaren leben in London. Darunter einige meiner Freunde. Ich habe sie besucht“, antwortete er in seinem einfachen Stil.

„Meinst Du, dass sich Menschen aus Bulgarien dort gut integrieren können?“, fragte ich weiter. Bei meinen Besuchen in London hatte ich den Eindruck, dass die englische Mentalität mit der bulgarischen nicht kompatibel sei. Die offene Emotionalität, die durch laute Wörter und körperbetonte Gestik auf dem Balkan ihren Ausdruck fand, war aus meiner Sicht in Großbritannien nicht sehr verbreitet.

„Kennst du das Experiment mit dem Frosch?“, fragte Ivan zurück.
„Erzähl!“, ermutigte ich ihn. Ich wusste, dass ich von ihm viel lernen konnte.
„Wenn man einen Frosch in eine Pfanne mit kochendem Wasser setzt, würde er sofort herausspringen...“, fing Ivan an.
„Wenn man aber den Frosch in eine Pfanne mit lauwarmem Wasser setzt und die Pfanne allmählich erhitzt, dann würde der Frosch langsam sterben“, beendete er seine Geschichte.
„Worauf willst du hinaus?“, fragte ich ihn weiter. Ich wollte sicher sein, dass mir die Pointe seiner Erzählung nicht entging.
„Ich will damit sagen, dass es sich so ähnlich mit der Integration der Bulgaren in London verhält. Sie kommen mit dem Traum der Selbstverwirklichung nach England. Sie studieren, finden einen guten Job und bleiben da. Langsam erhitzt sich aber das Wasser in der Pfanne. Die nasse Kälte, der ständige Nebel, die zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch fehlende Herzlichkeit und Kälte geprägt sind, sowie die teuren Lebenshaltungskosten bringen das Wasser zum Kochen. Dann ist es aber zu spät, um auszusteigen. Dann ist ihre Seele bereits tot“, beendete Ivan seine Ausführung, schaute mich mit seinem durchdringenden Blick an und fragte mich:

„Ist es in Deutschland anders?“
„Deutschland ist groß und ich kenne es nicht so gut...“, antwortete ich und nahm einen Schluck von meinem schwarzen Kaffee. In diesem Moment liefen zwei Schönheiten am Café vorbei. Wir drehten unsere Köpfe um, um ihre graziösen Bewegungen zu verfolgen.

„Ich kann nur über Berlin sagen, dass ich als Bulgare da die ganze Zeit das Gefühl habe, im lauwarmen Wasser zu schwimmen.“

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