Drei neue Santa Claus Kurzgeschichten für einen fröhlichen dritten Advent
Als
Weihnachtsmann im größten Berliner Krankenhaus
Berlin war kalt und verschneit. Der Himmel war klar. Der Wind
war kalt. Die Sonne schien. Die Straßen waren menschenleer.
Ich hatte einen ganz speziellen Auftrag. Ich musste am Heiligen
Abend als Weihnachtsmann die Geschenke an 350 Kinder verteilen, die krank waren
und im größten Berliner Krankenhaus Weihnachten verbringen mussten.
Dieser Auftrag machte
mich besonders stolz. Zuerst war das ein Beweis, dass ich einen guten Job als Weihnachtsmann machte
und deswegen das Vertrauen genoss, solche Aufträge zu erhalten. Darüber hinaus
war es schön zu wissen, Freude in 350 Kinderherzen hineinbringen zu können. Ich
ging mit einem lässigen Schritt ins Krankenhaus hinein. Es war leer. Ich hatte
meinen Weihnachtsmannanzug in meinen Geschenkesack gepackt und musste eine
Toilette finden, in der ich mich in aller Ruhe umziehen konnte. Ein alter Mann
begrüßte mich mit den Worten:
„Guten Tag, Herr Doktor!“
Ich grüßte ihn mit einem Lächeln zurück. Ich fühlte mich
geschmeichelt und wichtig. Ich wurde sogar für einen Doktor gehalten. Selten im
Leben hatte ich bislang dieses Gefühl, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu
sein. Selten im Leben hatte ich das Gefühl, etwas Sinnvolles machen zu dürfen,
wofür ich bezahlt wurde. Ich fand eine Invalidentoilette, ging hinein, schloss
die Tür hinter mir ab und fing an, mich in aller Ruhe umzuziehen. Ich hatte
mehr Zeit dafür eingeplant, damit ich nichts überstürzen musste. Der Bart und die
weiße Perücke mussten richtig sitzen. Der Mantel auch. Ich war fast fertig, als
jemand heftig an die Klotür klopfte.
„Ein Moment bitte!“ sagte
ich und dachte mir, was für ein Gesicht dieser Mann oder Frau machen würde,
wenn er oder sie sähe, dass der Weihnachtsmann
höchstpersönlich aus dem Klo herausginge.
Das Klopfen wurde deutlich stärker.
„Eine Minute noch!“
„Ick piss mir gleich in die
Hoooooooosen!“ hörte ich den Mann schreien.
Ich beeilte mich und als ich die Tür als ganz ordentlich
angezogener Weihnachtsmann aufmachte und auf die Reaktion des Mannes wartete,
rannte er an mir vorbei, als ob der Teufel hinter ihm her wäre Er merkte nicht
mal, dass ich als Weihnachtsmann ihn freundlich anlächelte und grüßte.
Auch wenn der liebe Gott höchstpersönlich vor ihm gestanden
hätte, hätte ihn das genauso wenig beeindruckt.
Noch einmal wurde mir gegenwärtig, dass jegliche Verkleidung
und alle gesellschaftlichen Rollen auf der Welt nichts wert waren, wenn unsere Naturbedürfnisse
nicht befriedigt waren.
Ich schmunzelte und machte mich auf dem Weg zu den Kindern.
Wie man aus den deutschen Brieftaschen das meiste Trinkgeld holen kann
Ich machte den Job als Weihnachtsmann gerne. Am Anfang war ich ein wenig
verkrampft. Der Bart saß nicht bequem. Der Mantel brachte mich zum Schwitzen.
Die Mütze musste meine dunklen Augenbrauen verdecken. Der Besuch bei den
Familien kam mir wie ein Kurzfilm vor. Ich ging hinein und ich ging hinaus. Am
Anfang hielt ich mich an mein Programm strikt. Im Laufe der Zeit konnte ich
mich langsam entspannen und mich in die Rolle des Santa Claus richtig einleben.
Die Frage, die mich oft beschäftigte, war, wie konnte ich das meiste Trinkgeld
bekommen. Wie konnte ich herausfinden, worauf die Deutschen so richtig standen?
„Die Deutschen lieben es,
gequält zu werden!“ sagte zu mir ein Freund, der lange mit einer deutschen Frau
verheiratet war. Ich fragte ihn spaßeshalber, ob ich in den deutschen Familien SM-Übungen
mit einer Peitsche und Maske einführen sollte. Ich entschied mich aber, seine Aussage auf die
Probe zu stellen.
Die Familie war wohlhabend. Die Wohnung war ein Loft im
Dachgeschoß. Der Tannenbaum sah prächtig aus.
Er war riesig und wurde mit
glänzendem Schmuck und Kerzen geschmückt. Die ganze Verwandtschaft war da.
Nachdem ich die Geschenke an die Kinder verteilt hatte und die Kinder im Gegenzug
ihre Gedichte und Lieder vorgetragen hatten, fühlte ich, dass die Zeit für mein
Experiment gekommen war.
„So mein liebes Kind!“ Ich
wandte ich mich an den Vater der Kinder und gleichzeitig das Oberhaupt der
Familie.
„Kommt jetzt mal näher zum
Weihnachtsmann!“
Ein Mann Ende 40 bewegte sich ungerne in meine Richtung. Seine
Haare waren kurz geschnitten. Er trug eine kleine Brille mit dicken schwarzen
Rahmen und schaute in seinem grauen Anzug wie ein Bankdirektor aus. Einer
dieser kleinen Männer, die gut mit Zahlen umgehen konnten und alles unter
Kontrolle haben wollten.
„Komm noch ein Stück näher,
mein liebes!“ ermutigte ich ihn.
„Der Weihnachtsmann tut nur
Gutes und du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, es sei denn wenn du nicht
artig warst..“
Der Mann kam näher. Die
Kinder waren mit Auspacken ihrer Geschenke beschäftigt, aber die ganze
Verwandtschaft bildete einen Kreis um uns herum. Tanten, Onkel und Neffen ,
eine Vielzahl von Großeltern und nicht an letzter Stelle seine Ehefrau schauten
uns mit Neugierde an. Die Kerzen brannten. Im Hintergrund hörte man gemütliche
Weihnachtsmusik.
„Sag jetzt, mein liebes Kind, dem
Weihnachtsmann, was die letzte gute Tat war, die Du Deiner Frau gegenüber
erbracht hast?!“
Der Mann schaute mich verlegen an. Sein Gesicht wurde rot. Rund
um ihn waren bestimmt 15 Menschen, die ihn aufmerksam anschauten und mit ihren
Kameras für das Familienalbum filmten. Es war ihm offensichtlich peinlich, da
er die Situation nicht unter Kontrolle hatte. Er wusste nicht genau, worauf ich
hinaus wollte. Ich wiederholte lauter und langsamer meine Frage. Er dachte kurz
nach und antwortete schnell:
„Ich habe die Fotos zum Fotolabor
gebracht, lieber Weihnachtsmann!“ sagte er laut und lachte verlegen. Er wollte
möglichst schnell aus der Situation herauskommen. Das entsprach aber nicht
meinem Plan.
„Denkst Du, mein Kind, dass
eine solche Tat als gut und nicht als selbstverständlich im Familienleben
bezeichnet werden kann?!“ stellte ich meine nächste Frage.
„Aber lieber Weihnachtsmann“,
stammelte er vor sich hin.
„Frag bitte meine Frau, was
sie Gutes mir gegenüber getan hat. Ich bin mir dessen sicher. Dann wird sie
auch ins Schwitzen kommen müssen!“
Der Papa war knallrot im
Gesicht angelaufen. Die Kerzen brannten. Die Kinder waren mit ihren Geschenken
beschäftigt. Der Papa wusste, dass der Angriff die beste Verteidigung war. Er
wollte sich bereits umdrehen, als ich ihn unterbrach:
„Nein, mein Kind, wir sind
lange mit Dir nicht fertig!
Ich möchte von Dir hören,
was Du zuletzt aus dem Gefühl der Liebe und nicht aus der Verpflichtung heraus
Deiner lieben Ehefrau gegenüber getan hast?“
Der Mann schüttelte genervt den Kopf und schaute sich um. Er
brauchte Hilfe von außen. Im Raum herrschte Stille. Alle schauten sich die
Szene schweigend an und niemand mischte sich ein. Nach 20 Sekunden gespannter
Stille entschied ich mich, seinen Qualen ein Ende zu setzen.
„So, meine Kinder! Dann
lasse ich die Frage offen für nächstes Jahr, wenn ich zu Euch komme. Aber dann will
ich mehr Gutes hören! Der Weihnachtsmann will mehr Liebe im Herzen spüren!“
Als ich den Satz
beendete, wurde ich euphorisch mit Applaus verabschiedet. Das Trinkgeld stieg
um das Dreifache. Ich lächelte zufrieden.
Also stimmte das, was der mit einer deutschen Frau verheiratete
Bulgare mir erzählt hatte.
Aus dem Leben des Santa Claus
„Sie haben aber nichts
dagegen, dass mein Mann farbig ist?“ fragte mich die Frauenstimme am Telefon.
Ich war eben dabei, meine Aufträge als Santa Claus abzuarbeiten
und telefonierte mit alle Familien auf meiner Liste durch. Das Ziel der
Telefonate war die Namen der Kinder aufzuschreiben, wie alt sie waren, was sie
liebten und was sie besser machen konnten, wie ihre besten Freunde, ihre Katze,
ihr Hund, Vogel oder Meerschweinchen hießen. Niemand hatte mir bis jetzt so
eine Frage gestellt. Ich dachte kurz nach und antwortete:
„Der Weihnachtsmann freut
sich doch auf Menschen mit unterschiedlichen Farben!“ Schließlich stellte ich
als Bulgare auch eine seltsame Mischung aus Orient und Okzident dar.
Als ich am Heiligen Abend auf dem Weg zu dieser Familie war,
dachte ich mir, was diese Menschen alles bereits erlebt haben mussten, um dem
Weihnachtsmann so eine Frage zu stellen. Das Leben in Deutschland als Bulgare
war schon nicht einfach, geschweige denn, wenn man aus Afrika oder Süd Amerika kommt.
Die Familie mit dem farbigen Vater hatte eine kleine,
gemütliche Wohnung. Die Kinder hatten einen winzigen Weihnachtsbaum sehr schön
geschmückt und für den Weihnachtsmann fröhliche Weihnachtslieder vorbereitet.
Der Junge war 5, seine Schwester war 7 Jahre alt. Der Junge spielte Geige und
die Schwester sang. Beiden waren elegant angezogen und hatten lange, dunkle,
lockige Haare. Die Mutter – eine angenehm gerundete, vollbusige Frau mit langen,
glatten, schwarzen Haaren und im weißen Kleid, schaute den Auftritt ihrer
Kinder mit glänzenden Augen an und sang leise mit. Man merkte, dass sie lange
mit ihnen geübt hatte. Der farbige Vater saß still auf einem roten Coach im
Hintergrund und beobachtete das Geschehen. Er trug eine dicke, goldene
Halskette am Hals und sah so aus, als ob er täglich Krafttraining machen würde.
Ein Muskelpack. Ich dachte mir, dass mich seine Ehefrau mit ihrer Frage
vielleicht einfach nur auf ihren Mann aufmerksam machen wollte. Als die Kinder
mit ihrem Programm fertig waren, entschied ich mich dafür, auch ihm ein wenig Aufmerksamkeit
zu schenken.
„So mein liebes Kind!
Nachdem wir das Konzert von Deinem kleinen Prinz und der schönen Prinzessin
gehört haben, möchte der Weihnachtsmann sehen, was Du so für den Heiligen Abend
vorbereitet hast.“ wandte ich mich an ihn.
Zuerst merkte der schwarze Mann gar nicht, dass ich ihn gemeint
hatte. Er schwieg und rührte sich nicht. Ich erhöhte meine Stimme:
„Mein liebes Kind! Schön
und gut, dass Du so still und bequem auf dem Sofa sitzt. Aber jetzt möchte der Weihnachtsmann von dir hören, was Du für ihn vorbereitet
hast. Ein schönes Lied vielleicht oder ein Weihnachtsmärchen? Du kannst da ruhig
sitzen bleiben.“
Es kam wieder keine Reaktion.
Der Mann saß und schwieg. Im Raum
war es wieder für ein paar Sekunden ganz still. Nur die brennenden Kerzen
konnte man hören. War er zu schüchtern oder zu überrascht, so eine Aufgabe vom
Weihnachtsmann gestellt zu bekommen? Oder fühlte er sich provoziert oder war er
taub?
„Mein Papa spricht kein
Deutsch!“ mischte sich der kleine Junge ein.
„Santa Claus is waiting for
your Christmas Song, Daddy!” sagte seine Tochter zu ihm.
Der Mann lächelte, als ob er darauf gewartet hätte und legte
ohne weitere Aufforderung mit voller Stimme los. Ich fühlte mich in den kommenden
Minuten wie beim Gospelkonzert. Er sang energiegeladene, christliche Lieder und
pries Jesus über alles, was er in seinem Leben hatte, und drückte seine
Dankbarkeit aus, dass Jesus an diesem Tag auf die Welt gekommen war.
Ich dachte, seine Frau hätte besser mich nicht fragen müssen,
ob ich etwas dagegen hätte, dass Ihr Mann Schwarzer war, sondern dass er so ein
begnadigter Sänger war und vor allem mich warnen müssen, dass er kein Deutsch
konnte. Wie unsere Fragen unsere Gedankengänge lenkten und umgekehrt! Ich bemühte mich, meine Gedanken zu beruhigen
und genoss den Enthusiasmus, mit dem der Vater sang.
Bei so vielen christlichen deutschen Familien, die ich an
diesem Abend besuchte, hatte ein afrikanischer Mann zum ersten Mal den Namen Jesus erwähnt
und den Santa Claus daran erinnert,
warum wir überhaupt Weihnachten feierten.
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