Business auf Bulgarisch


Business auf Bulgarisch


Auf dem Balkan gilt der Grundsatz für Geschäftsbeziehungen:

"Ich gebe Dir 50 Euro, Du gibst mir 50 Cent zurück und ich muss mich dafür bedanken"

Als ich den Anruf aus Sofia bekam, musste ich zuerst nicht daran denken.


"Veso, wie geht's Dir, Alter?! Wo bist Du untergetaucht?!", fragte euphorish eine männliche Stimme.
"Danke-es geht mir gut! Wer ist da?"
"Grisha, Dein alter Klassenkamerad!!", sagte der Mann mit  Erwartung meiner Antwort.


Ich strengte mich an: Grischa war ein Spitzname von Gregor, aber an einen Klassenkameraden mit diesem Vornamen konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern.  Ich wollte aber  nicht unhöflich sein und den Menschen verletzen. Während  der letzten Jahre geriet ich ab und zu in peinliche Situationen, in denen jemand mich auf der Strasse herzlich grüsste und ich mich an den Mann oder Frau nicht  erinnern konnte. Anstatt sofort  danach zu fragen, woher ich ihn oder sie kannte, dachte ich, dass ich es im Laufe des Gesprächs herausfinden würde, was leider selten passierte. So wirkte ich unehrlich und am Ende musste ich sowieso die Karten offen legen und danach fragen oder mich mit einem schlechten Bauchgefühl verabschieden.

Dieses Mal entschied ich mich deswegen Klarheit ins Gespräch zu bringen.

"Waren wir in einer Klasse im Deutschen Gymnasium?"
"Nein, Alter, in der Grundschule! Ich weiß, dass Du danach auf das Deutsche Gymnasium gegangen bist!"


Es war 35 Jahre her, als ich die Grundschule besucht hatte und ich erinnerte mich an wenige Gesichter aus dieser Zeit. Dazu gehörte ein Mädchen, in das 
ich verliebt war und einen Jungen, der mich oft geschlagen hatte.


"Waren wir in einer Klasse in der Grundschule?", fragte ich vorsichtig weiter.
"Klar, mit Niki Todorov und Vlado Fugata! Kannst Du dich wirklich nicht erinnern?!"


Mit Niki war ich in der Tat noch im Kontakt, aber mit ihm war ich in einer Nachbarschaft aufgewachsen. Vlado Fugata hat es als einziger aus der Jugendauswahl von Slavia Sofia, wo ich auch trainiert hatte, bis zur bulgarischen Fussballnationalmannschaft geschafft, aber mit dem Namen Grischa konnte ich nach wie vor  nichts anfangen. Ich überlegte weiter. Mein Gegenüber spürte meine Zurückhaltung am Telefon, aber seine Euphorie ließ nicht nach.


"Peshev hat mir deine Telefonnummer gegeben. Er meinte, Du würdest in einer Handelsagentur arbeiten und wir könnten etwas zusammen auf die Beine bringen!"
Peshev war mein bester Freund aus der Kindheit Sein Haus lag 20 Meter von unserem. Vor einigen Jahren hatte seine Seele die Erde verlassen und allein zu dessen Ehre mußte ich nett und zuvorkommend dem mir noch unbekannten Anrufer gegenüber sein. 
"Grisha- die Freunde von Peshev sind meine Freunde!  Was machst du so? Wie könnte ich Dir behilflich sein", versuchte ich mit ein wenig mehr Begeisterung.
"Ich bin im IT Bereich von Telekommunikationsunternehmen tätig."
"Klingt gut! Programmierst Du?"
Ich wusste, dass die bulgarischen Programmierer in den Industrieländern sehr gefragt waren, da sie gut ausgebildet waren und weniger kosteten.
"Nein, ich leite Projekte in Höhe von 25 Millionen Euro!"
"Wow!", dachte ich mir.
"Noch ein Spinner! Aber wie könnte ich Dir dann behilflich sein"
"Ich betreibe auch nebenbei Handel. Zur Zeit exportiere ich zum Beispiel Weine nach China, bin auch sehr stark in den asiatischen Ländern der Ex-Sowjetunion wie Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan vertreten, aber am stärksten sind meine Positionen in Russland"
"Warst Du schon mal da?", fragte ich.
"Klar!"
"Und was meinst du unter starker Position?"
"Na ja, meine Partner", hustete er am Telefon.
"Wie soll ich es Dir sagen, das sind sehr spezielle Menschen, mit denen ich zu tun habe! Ihre Namen sind nicht für ein Gespräch am Telefon zu erwähnen!"
"Wow!", dachte ich mir spöttisch. 
"Diese Bulgaren sind Weltmeister beim Übertreiben! Bestimmt möchte er mir unter vier Augen erzählen, dass sich seine Partner auf der Sanktionsliste der amerikanischen Regierung befinden."
"Trinkst Du deinen Tee in Moskau mit Putin zusammen?", nahm ich ihn auf den Arm. 
“Ha ha- soweit bin ich zum Glück nicht!”, lachte er.


Eine Erinnerung am eine Taxi Fahrt in Berlin kam bei mir hoch. 
Der Fahrer, ein dunkelhaarige, fettleibiger Mann um 50 erzählte mir damals seine Geschichte:
"Bevor ich nach Deutschland auswanderte, war ich in Teheran so stark, dass, wenn ich das Fenster meines Hauses offen gelassen hatte, zog es bis nach Paris!"


Jeder Mensch möchte wichtig sein. Dadurch erhofft er sich die 
Anerkennung und Liebe seiner Mitmenschen zu gewinnen. Wenn dieser Wunsch eine bestimmte Grenze überschreitet, gerät die Situation in den Bereich der Tragikomödie, was in meiner Heimat Bulgarien oft der Fall war. Andererseits, wenn man das Leben als ein Spiel sieht, fand ich es sympathisch, dass sich meine Landsleute als große wichtige Spielgestalter auslebten. Schließlich spielte  jeder in seinem Film die Hauptrolle und warum sollte sich ein Mensch kleingeben.


"Grisha, ich fliege nächste Woche nach Sofia. Lass uns eins trinken gehen! Dann kannst du mir mehr von deinen Großprojekten erzählen und über eine Zusammenarbeit nachdenken!", versuchte  ich das Gespräch positiv abzuschließen.
“Gerne, Veso, bin aber nächste Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Habe da paar Termine, die ich unbedingt wahrnehmen muss. Wenn du aber magst, kann ich auf der Rückreise einen Abstecher in Berlin machen?”
“Warum nicht? Machen wir so! Von der Schweiz aus kannst du günstig mit Easy Jet mach Berlin kommen!”
“Mache Dir, keinen Kopf darüber. Ein meiner Partner holt mich mit seinem Flieger ab und ich wird mich bestimmt hinfliegen lassen!”


Ich merkte, wie das Leben, meinem Wunsch Menschen in Schubladen hineinzustecken, seine Grenzen aufzeigte. 


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