Tarantino

 Tarantino

Ich blätterte mit einer Tasse Kaffee in der Hand in der Berliner Zeitung. Auf der ersten Seite standen DeCaprio, Brad Pitt und eine blonde Schönheit, die ich nicht kannte. Im Hintergrund war der Berliner Fernsehturm zu sehen. Das Foto hätte auch von meiner Wohnung aus geschossen werden können", dachte ich mir und las den kleinen Text darunter: Tarantino wäre in Berlin, um seinen neuen Film zu präsentieren und seine Stars wären mitgeflogen. Brad Pitt wäre der einzige von ihnen, der sich die Zeit nahm, Selfies mit sich machen zu lassen.Zwei Stunden später befand ich mich im Café im Erdgeschoss vom Soho House. Ich wollte Bio-Riegel aus Bulgarien in solche Kaffeehäuser runterbringenIn diesem Café war ich zum zweiten Mal, aber der Manager war nie da und die Kellner waren mir gegenüber abweisend."Der Chef ist heute nicht da!", wiederholte ein dünner Kerl mit fester Stimme. Er war Mitte 20 und hatte ein schwarzes Hemd an. Auf seinem blassen Gesicht gab es eine Mischung aus 5-Tage-Bart und roten Pickeln, die er damit zu verstecken versuchte.Ist er im Urlaub?", fragte ich. Es war Anfang August und es hätte durchaus sein können, dass sich der gute Mann eine Auszeit gönnte.Nein, er hat sich nur heute freigenommen", sagte der Dünne und widmete sich anderen Gästen.Heute ist nicht der Tag für kalte Akquise", dachte ich und machte mich auf den Weg nach draußen. Das Café hatte die Fläche von zwei Tennisplätzen. Es war nicht nur Café, sondern ein Concept Store, in dem man neben Getränken, Essen, Kunstmagazine und teure Klamotten kaufen konnte. Vor paar Jahren hatte ich eine Stunde da verbracht und empfand die Stimmung als steif. Ähnlich wie im gesamten Soho House. Ein Ort, an dem
Krawattenträger ungern gesehen wurden, aber die gut betuchten Künstler, die Mitglieder ware
n, genauso so verkrampft wie Bankangestellte auf mich wirkten.
Mit solchen Gedanken verließ ich das Café, als ich Tarantino sah.Er bewegte sich schnell in meine Richtung. Die Szene kam mir wie im Film vor und die Worte kamen schnell aus meinem Mund.Welcome to Berlin!" Thank you!", lächelte er zurück. Er trug ein weißes Hemd mit bunten Drachen darauf und hatte seinen kurzen Haarschnitt.May I make a foto with you?"Das war der blödeste Spruch, den ich klopfen konnte, aber leider fiel mir im Moment nichts Besseres ein. Ich erinnerte mich an eine ähnliche Situation auf dem Unicampus vor einigen Jahren. Es gab ein Mädchen, das mir davor auf einer Party sehr gefallen hatte. Als sie allein in meine Richtung in die Uni-bibliothek ging, wusste ich, dass ich sie ansprechen musste. Das einzige, was mir einfiel, war die Frage: Glaubst du an Gott?". Und jetzt läuft mir Tarantino entgegen und die einzige Frage aus der ganzen Welt ist die Frage, mit der er täglich bestimmt 1000 Mal konfrontiert wurde. Hätte ich gefragt, ob er an Gott glaubt, hätte ich bestimmt einen besseren Eindruck hinterlassen. Aber mir ging es darum, mit ihm ein Gespräch anzufangen. Fotos are here not allowed", kam die erwartete Absage. Tarantinos Stimme klang fest, hatte aber eine kindliche Melodie. Bestimmt machte das seine Kreativität aus, dass er das Kind in sich lebendig hielt und Grenzen problemlos überquerte. Er sah viel dünner aus als ich ihn in Erinnerung hatte. Seine offene Stirn und lebendigen kleinen Augen brachten eine Dynamik mit sich, die gut zu seinen Filmen passte. Insgesamt strömte eine wilde, unbändige Energie aus ihm heraus und ihr wollte ich mich nähern.Let´s go outside", schlug ich vor, als ob das das Natürlichste auf der Welt wäre und deutete mit dem Kopf auf die Eingangstür, die einige Meter von uns entfernt war. Sein Blick fixierte mich. Sein Gesicht verriet keine Emotion.I am staying at this place bacause fotos are NOT allowed", sagte er mit einem Schmunzeln und mit einer Betonung auf "not" .Ich konnte mir vorstellen, was für eine Unmenge von Menschen von ihm ein gemeinsames Foto verlangte. Das Leben bot mir aber jetzt eine Chance, das Gespräch zu vertiefen und unserer Konversation eine andere Richtung zu verleihen.So- this was your honest answer", stellte ich mit einer kleinen Dosis Ironie in meiner Stimme und kurzem Kopfschütteln fest.Both answers were honest", zeigte er seine Schlagfertigkeit und ich merkte, dass er dabei war zu gehen.I appreciate your art", sagte ich zum Abschied.Thank you!"antwortete er, schüttelte mir kurz die Hand und ging in den Concept Store hinein.Wow, ich werde mir die rechte Hand eine Weile nicht waschen", dachte ich zufrieden. Im Hinterhof sah ich viele schwarze Autos und Glatzen, die in dunklen Anzügen herumstanden. Tarantino war seinen Leibwächtern für paar Minuten weggelaufen und ich hatte die Chance für einen Small Talk genutzt.Mal sehen, ob meine Freundin mir die Geschichte für bare Münze ohne Foto-beweismaterial abnehmen würde", dachte ich und ging auf die Straße.

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