Die Welt der Buyers

 Die Welt der Buyers

Ich hatte einen neuen Job und musste Bio-Riegel verkaufen. Die Fabrik lag in Bulgarien. Mein erster Einsatz war auf einer Messe in Paris. Es hieß, es sei eine Messe für Buyers
Die Buyers sind die Top-Models von heute. Jeder möchte mit ihnen zu tun haben. Ihre Attraktivität besteht darin, dass sie viel kaufen können. Jeder rennt ihnen deswegen hinterher und hofft, ihre Gunst zu gewinnen.Unser Stand kostete viel, aber wir erwarteten auch viel. Die Messeveranstalter versprachen nicht weniger, als dass man in die Welt der Byers eingeführt werden würde. Und zwar in die internationale Welt. Einkäufer aus der ganzen Welt waren eingeladen und im 30 Minuten-Takt sollten wir mit jedem einzelnen aus der Liste, den wir im Voraus ausgewählt hatten, ein persönliches Gespräch haben. 
Was könnte man mehr von einer Fachmesse verlangen? 
Die Realität war in Paris anders. Die Messe fand im Carrousel du Louvre statt. Das war im Untergeschoss des bekannten Museums und wunderschöne Skulpturen und hübsche Hostessen machten den ersten Eindruck atemberaubend.
Ich war am Stand nicht allein. Mein Chef trug einen dunkelblauen Anzug, hatte kurze, lockige Haare und beeindruckte mich mit seiner Bescheidenheit. Seine Cousine war eine kräftige Bulgarin, die eine Brille mit weißem Rahmen trug und aus dem Mund schlecht roch. Es gab einen deutschen Partner, der stolz seinen Bierbauch und arabische Wurzel präsentierte, und einen Franzosen, bei dem der Weltschmerz ins Gesicht eingeprägt war. Der Franzose war der fleißigste. Noch am ersten Tag ging er zu allen Ständen in den beiden Hallen und präsentierte ehrgeizig unsere Produkte. Das machte nicht so viel Sinn, da die Menschen auch verkaufen wollten, schaffte aber Netzwerk. 
Es gab zwei mittelgroße Hallen. Die eine war der Nahrungsmittelindustrie und die andere der Kosmetik gewidmet. Noch vor Messebeginn waren unsere Zweifel gewachsen. Unter der Liste der Buyers, die wir treffen sollten, befand sich ein polnischer Kunde von uns, der uns mitteilte, dass er sich für diese Messe gar nicht angemeldet hatte. Bald nach dem Standaufbau bestätigte sich unsere Befürchtung. Es gab mehr Messehostessen und Messemitarbeiter als Besucher. Von den Buyers, wenn überhaupt, gab es einen einzigen Stand von einer französischen Kette. Die Frau, die am Stand saß, sah mager aus. Sie war um die 50 und hatte ein schwarzes Kleid an. Ich redete kurz auf sie ein und sie zeigte Interesse. Da unser Stand 20 Meter von ihrem entfernt war, wollte ich zwei Mal kurz Samples und Kataloge holen, aber zwei Mal musste ich feststellen, dass jemand meinen Platz eingenommen hatte. Die Frau war sowas von gefragt, dass sich bald eine Schlange vor ihrem Stand gebildet hat. Nach einigen Stunden konnte sie nicht mehr mithalten und wurde von einem Notarzt abgeholt.Meinerseits hatte ich vor dem Messebeginn zwei Einkäufer eingeladen, die Interesse an unseren Produkten hatten. Der erste kam aus London. Er war Ende 50 und hatte einen dünnen Schnurrbart. In der Kommunikation davor war mir aufgefallen, dass er zwar eine schöne Internetseite hatte, aber seine Email-Adresse von Gmail war. Das war meistens ein Zeichen, dass etwas nicht stimmte.
„Hallo Herr Dengiuhard – herzlich willkommen in Paris!", begrüßte ich ihn und bot ihm einen Sitzplatz an. Unser Stand war 9qm groß und hatte einen Stehtisch mit drei Sitzstühlen sowie einen kleinen Stand, auf dem man die Bio-Riegel und Cookies kosten konnte. Herr Dengiuhard hatte einen grauen Anzug an und schwarzgefärbte Haare. Er nahm Platz.„Wo sind Sie ursprünglich her?", fragte ich ihn interessiert. Er könnte Italiener oder Perser sein, aber auch eine Mischung aus Grieche und Jude. „Aus Dänemark", antwortete er.Das hat mich überrascht und ich bedauerte, meine dänische Freundin nicht dabei zu haben, um das zu testen.Ich bot ihm die Produkte an und erklärte ihm die Unterschiede.Er hörte interessiert zu und sagte:„Ich habe drei sehr interessante Kontakte in China, aber bevor ich sie anbiete, möchte ich, dass wir einen Vertrag aushandeln, der mir meine Provision und Exklusivität für den chinesischen Markt garantiert, da ich schlechte Erfahrungen gemacht habe!"„Wir arbeiten mit allen unseren Partnern auf Vertragsbasis. Das, was ich Ihnen aber nicht anbieten kann, ist eine Exklusivität für den Markt."„Wissen Sie, der chinesische Markt ist sehr groß und unübersichtlich und ich befürchte, dass ich umgangen werde", sagte der Mann und runzelte seine Stirn.„Wie gesagt, wenn Sie eine große Order platzieren möchten, wäre das denkbar, aber sonst kann ich es nicht vor der Geschäftsführung rechtfertigen.“„Ich bin auch der Präsident der Föderation der Martial Arts!", fügte er hinzu.„Damit sollten Sie anfangen", lächelte ich ihn an.„Dann wüssten sie Bescheid, dass sich keiner mit Ihnen anlegen würde!"Der Typ war mir unheimlich. Ich bezweifelte die Ehrlichkeit seiner Aussagen und beschloss, im Internet zu recherchieren, bevor ich weitermachte.  Die anderen Einkäufer, die im Voraus Interesse zeigten, waren zwei Männer aus Jordanien, die Europa bereisten und von Spanien nach Paris kamen, um uns zu treffen. Ich wusste, dass Jordanien ein kleiner Markt ist und dass die Menschen da nicht so viel Geld hatten, um sich Bio-Produkte leisten zu können, aber „let´s give it a try!"
Die beiden kamen pünktlich an. Sie sahen vom Alter her aus wie Vater und Sohn. Der Sohn hatte lebendige Augen und ein freundliches, rundes Gesicht. Der Vater war müde und sein grauer Vollbart bedeckte sein Gesicht.Ich begrüßte sie und stellte sie meinen Kollegen vor. Der deutsche hatte eine Schwäche für Araber, weil sein Vater aus Nordafrika stammte. Er übernahm energisch die Präsentation und verteilte großzügig von unseren Produkten. Sie lachten viel und gingen mit einer vollen Tasche Bio-Riegel und Cookies weg.„Die Pässe, die Sie bekommen haben, erlauben Ihnen auch den Eintritt in den VIP-Bereich!", verabschiedete ich sie am Ende.„Falls Ihr eine Erfrischung oder etwas Warmes essen wollt."Die beiden bedankten sich und gingen.So verbrachten wir den Rest des Tages damit, auf die Buyers zu warten, uns mit anderen Ausstellern auszutauschen und mit den Hostessen zu flirten. Die hübschesten waren aus Osteuropa. Die Ukraine, Rumänien und Weißrussland nahmen einen wichtigen Platz im Schönheitswettbewerb der Frauen weltweit ein, und die Pariser Veranstalter wussten das zu schätzen. 
Am zweiten Tag sprach sich herum, dass zwei Buyers aufgetaucht sind. Wir putzten fleißig unseren Stand und wollten uns von unserer Sonnenseite präsentieren. Die Frage war, wann und ob sie zu uns an den Stand kommen würden. Wir verteilten uns auf die Hallen und jeder von uns ging auf die Suche. In zwei Stunden waren wir alle erschöpft und ohne Beute an unserem Stand zurück. Nur der Franzose fehlte. Wir versuchten ihn zu erreichen, aber er ging nicht ans Telefon. Wir befürchteten, dass er irgendwo zwischen den Hallen bewusstlos lag und nicht mehr die Kraft hatte, ans Telefon zu kommen. Gott sei Dank lagen wir falsch
Bald erschien er mit dem triumphierenden Gesicht von Julius Cäsar mit zwei kleingewachsenen chinesischen Frauen zurück und präsentierte sie stolz. Unser Chef sprang vom Stuhl wie von der Tarantel gestochen und mit einem Lächeln, das breiter als sein Gesicht war, ging er auf die Frauen zu. Er hielt in beiden Händen zwei Pakete mit der ganzen Produktpalette bereit. Die anderen Teammitglieder übernahmen schnell die restlichen Aufgaben. Der Deutsche mit dem Bierbauch redete mit der Stimme einer Nachtigall auf sie ein. Ich versperrte mit der anderen Mitarbeiterin den Weg der Chinesinnen nach hinten. Zum einen schützte ich ihren Rücken vor anderen Ausstellern, die wie hungrige Wölfe zu ihnen blickten. Zum anderen wollte ich einsteigen, falls die Versuche des Direktors und der Gesang der Nachtigall fehlschlugen. Nach wenigen Minuten war mir klar, dass die Chinesinnen auch für die Messe arbeiteten und darauf aus waren, unsere Firma für ihre Ausstellung in Shanghai zu gewinnen. Es schien, dass die Aussteller nur Verkäufer miteinander in Kontakt gebracht hatten, um so die Atmosphäre einzuheizen. Die Wölfe warteten auf die Lämmer, aber die einzigen Lämmer, die kamen, hatten sich auch als ihresgleichen entpuppt.
Als wir dabei waren, unsere Sachen zu packen und den Stand abzubauen, sah ich die beiden Jordanier. Sie trugen bestimmt insgesamt 9 bis 10 Taschen voll mit Produkten. Ich realisierte, dass ich Ihnen mit meiner Einladung, die Nahrungsmittel für die restlichen Tage ihrer Europareise gesichert hatte. Der Deutsche mit nordafrikanischem Vater sprang erfreut auf: „Kann ich Euch helfen?", fragte er, ohne zu wissen, worauf er sich einließ. Die beiden überließen ihm die schwersten Taschen und ließen ihn wie einen Esel alles schleppen.Es war zu spät abzuspringen. Ich erlaubte mir den Scherz und sagte zu denen:„Falls Ihr noch Cash für Eure Rückreise braucht, sagt Bescheid!"

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