Als Gast in einem der teuersten Hotels in Deutschland

 Als Gast in einem der teuersten Hotels in Deutschland


Das Glück war auf unserer Seite. Über Ebay Kleinanzeigen konnte ich für 220 Euro einen Reisegutschein kaufen, der mir und meiner Freundin ermöglichte, drei Tage und zwei Nächte im Hotel A Rosa am Scharmützelsee zu chillen und den Sommer zu genießen.


Das kam uns sehr entgegen, da unsere kleine Familie seit 7 Wochen ein Baby hatte und davon träumte, für einige Tage aus Berliner Leben auszubrechen. Bevor ich den Gutschein kaufte, überprüfte ich im Internet die Preise. Das Doppelzimmer kostete in diesem Hotel normalerweise 422 Euro pro Nacht. Also wären wir für die zwei Nächte 844 Euro los. Das entsprach ungefähr dem Betrag von zwei Jahresrenten meiner Oma in Bulgarien.


Ich las auf der Internetseite des Hotels folgendes:


„152 Zimmer und Suiten im A-ROSA Scharmützelsee – das sind 152 Mal Ruhe, Erholung und Wohlfühlen. Die Einrichtung ist geschmackvoll und gemütlich, die Ausstattung lässt keine Wünsche offen. Sie werden schlafen wie ein Stein. Am Morgen können Sie sich natürlich von uns wecken lassen. Oder noch natürlicher vom Zwitschern der Vögel in den prächtigen uralten Bäumen vor Ihrem Zimmer“


Das hörte sich sehr gut an. Das war alles, was ich in diesem Moment brauchte. Die Schwester meiner Freundin lieh uns ihren Mercedes Cabrio aus und ich fühlte mich unterwegs wie auf einer Fahrt am Cote Azur. Der Himmel war blau. Die Sonne schien. Das Auto ließ sich schnell fahren und wir erreichten innerhalb einer Stunde die Hotelanlage. Sie bestand aus einigen großen Häusern und einem riesigen Golfplatz. 

Es war warm. Die Vögel zwitscherten in der Tat. An so einem schönen Sommertag durften wir keine Zeit verlieren. Wir checkten ein, zogen unsere Badeanzüge an und begaben uns auf dem Weg zum See. Durch einen schmalen Waldweg erreichten wir bald den Strand. Er war nicht länger als 25 Meter lang und ca. 20 Meter breit.

Ich erinnerte mich an den winzigen Strand in Monako und fragte mich, ob es eine Strategie der Hotellerie an den spießigen Orten der Welt war, die Strände so klein wie möglich zu halten, um die Nutzung ihrer SPA-Bereiche zu fördern. 

Das war auch Teil meiner Erklärtung, wieso man in den feinen Gaststätten eine Mausportion auf einem Ochsenteller zum hohen Preis serviert bekam. Ich fand eine Liege im Schatten. Unser Baby sollte einen direkten Sonnenkontakt meiden und das traf sich gut. Meine Freundin legte ein Badetuch darauf und ich schaute mich nach einer zweiten freien Liege um. 

Der kleine Strand war vom Kieferwald umgeben. Der Sand war weiss und fein. Bestimmt wurde er aus Sahara importiert. Am Strand gab es ungefähr 30 Leute. Meistens waren da Paare, die 60 überschritten hatten und die Ruhe ihrer Rentenzeit genossen. Es gab einen schmalen Stieg, auf dem zwei freie Liegen zu sehen waren. Ich ging in die Richtung und sah, wie ein älterer Herr vom Stieg aus, langsam ins Wasser ging. Obwohl es auf diesen Liegen keine Badetücher lagen, befanden sie sich direkt hinter ihm. So empfand ich es für höflich, ihn zu fragen:


„Verzeihen Sie bitte die Störung! Benutzen Sie die Liegen?!“


Der Mann drehte sich schnell um. Er war bestimmt Mitte 70, hatte hellblaue Glasaugen und ein großes, rundes Gesicht mit wenig weißen Haaren am Kopf.  

„Der Typ ist bestimmt Aufsichtsratsvorsitzende eines großen deutschen Pharmakonzerns“, dachte ich mir. Einer dieser  kleingewachsenen Männer, die hinter den Kulissen die Politik steuerten und täglichen Kontakt mit dem Gesundheitsminister pflegten. In seinem Blick spürte ich, dass er von meiner Anwesenheit irritiert wurde. Er schaute mich misstrauisch an und fragte seinerseits laut mit verärgerter, autoritätsbewusster Stimme:

„Sind Sie überhaupt ein Gast vom Hotel?!“

In diesem Moment begriff ich, dass ich einen Fehler beging. Hätte ich die Frage auf Englisch gestellt, hätte er denken können, dass ich mit meinen langen, dunklen, lockigen Haaren ein ehemaliger, italienischer Fußballspieler wäre und wahrscheinlich nicht so auf mich herabgeschaut. Mein bulgarischer Dialekt hatte ihn offensichtlich beunruhigt.

„Gibt es hier ein Hotel?“, entschied ich mich auch mit einer Gegenfrage zu reagieren. Ich wollte absichtlich seinen Verdacht stärken, dass Eindringlinge durch den Wald gelangt waren, um die Ruhe der Gäste der 5* Hotelanlage zu stören. Der alte Herr zog seine Augenbrauen hoch, runzelte seine Stirn und ordnete mit Befehlston:

„Lesen Sie aufmerksam die Schilder- sonst muss ich die Security anrufen!“

Ich schaute mich um. Der kleine Strand war in der Tat von Schildern umgeben. Darauf stand:

„Strand, Steg und Liegen stehen exklusiv den Resortgästen und Wohnungseigentümern zur Verfügung“

Ich sagte nichts mehr, nahm die Liege mit und schleppte sie zu meiner Freundin.

„Der alte Mann ist nur bestimmt wegen deines Alters neidisch“, erklärte sie mir, als ich ihr das Geschehen schilderte. “Deswegen habe ich genau diese Frau ausgesucht!”, dachte ich mir. Sie verstand es, mit einem Satz meinen verletzten Stolz zu besänftigen. Wir blieben einige Stunden und gingen ins Zimmer zurück.


Die Nacht war unruhig. Sie hatte wenig mit “Ruhe, Erholung und Wohlfühlen”, sondern mit Weinen unsres Babys zu tun. Lange bevor die Vögel mit ihrem Zwietschern mich aufwecken konnten, drehte ich mit dem Baby Runden durch die menschenleere Gänge und versuchte, es wieder zum Schlafen zu bringen. 


Nach dem Frühstück entschied ich mich den SPA Bereich der Hotel Anlage zu nutzen. Ein Außen- und ein Innenpool standen zur Verfügung. Dazu gab es einige Saunas, einen großen Ruheraum und ein Schwimmbad, in dem man unter Wasser sogar Musik hören konnte. Ich machte einen Rundgang und schaute mir aufmerksamer die Hotelgäste an:

Ich spürte die Anwesenheit der Wirtschaftselite des deutschen Landes: Es gab Steuerberater, Top-Rechtsanwälte internationaler Kanzleien, Chef-Ärzte großer Kliniken, Immobilienhaien und Vorstandsmitglieder von Dax-Unternehmen.  Die Schattenseite der oberen Schicht war auch anwesend. Ich merkte paar kräftig gebaute Russen in hübscher, langbeiniger Begletung und einige arabisch aussehende Männer, denen man lieber aus dem Weg gehen sollte. Ich sah teure Armbanduhren, Markenbrillen und Damentaschen, die ein Vermögen kosteten. Kurz gefasst war das Hotel ein Anlaufpunkt von Menschen, die es geschafft haben, ein wohlhabendes Leben zu führen und sich ein Hotelzimmer für 422 Euro pro Nacht leisten konnten. Dort sah ich wieder den alten Mann vom Strand. Ja, der Aufsichtsratsvorsitzende des großen Pharmakonzerns, der mich am Tag davor am Strand zurechtgewiesen hatte. Er war in der Gesellschaft einer 30 bis 40 Jahre jüngeren Dame und genoss mit ihr ein Glas Champagner direkt neben dem Aussenpool. Die Liege neben ihm war frei. Es war Zeit für mich, meine Anwesenheit spürbar zu machen.

Ich näherte mich langsam und breitete mit geschickten Bewegungen mein gelbes Tuch aus. Dann cremte ich mich langsam ein, lächelte ihn an und eröffnete wieder das Gespräch:

„Einen wunderschönen guten Morgen! Wie man so in Deutschland sagt, im Leben trifft man sich zweimal.“

Er schaute mich irritiert an. Die Blondine neben ihm würdigte mir keinen Blick. Sie hatte einen glänzenden, silbernen Badeanzug an. Ihr Oberteil war eine Nummer zu klein, um ihre Brüste verdecken zu können. Sie hatte einen kleinen, gut trainierten Körper, auf dem einige Blumenzweigen als Tattoos zu erkennen waren. Ich ergriff wieder das Wort:

„Ich muss mich für die erneute Störung bei Ihnen entschuldigen, aber dürfte ich Sie bitten, auf meine Wertsachen aufzupassen, solange ich schwimmen gehe?!“

Ich sah, wie das Blut in seinen Kopf hochstieg. Bevor er mich mit seiner schlagkräftigen Antwort abschmettern konnte, sprang ich schwungvoll in den Pool hinein. Ich bemühte mich, den Sprung so zu gestalten, dass er und seine Begleitung auch ein wenig frisches Wasser zu spüren bekamen. Schließlich brauchtten die beiden genausoviel wie ich eine Erfrischung.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Българка или бразилка?

Wie man an einem kurzen Telefonat erkennen kann, ob man sich in Deutschland oder in Bulgarien befindet

Die Komfortzone