Ein Russe am Züricher Flughafen

Ein Russe am Züricher Flughafen

Ich saß im Flieger von Moskau nach Zürich. Die Flugbegleiterinnen von Swiss Air hatten einen Altersdurchschnitt von 50 Jahren. Vielleicht war es die Politik dieser Fluggesellschaft keine jüngeren Frauen einzustellen, um die männlichen Gäste nicht durcheinander zu bringen.
Nach Moskau fühlte sich Zürich wie ein Dorf an. Wenige Städte waren so unterschiedlich. Die Reichen in Moskau zeigten, wie reich sie waren: Limousinen, Pelzmäntel und private Clubs prägten diese Stadt. Die Armen wühlten zur gleichen Zeit in den Mülltonnen herum und suchten nach Essensresten. Millionen von Menschen waren Tag und Nacht unterwegs. Sie lebten jeden Tag so, als ob er der letzte Tag ihres Lebens wäre.
Im Gegensatz zu Moskau lebten die Menschen in Zürich so, als ob sie auf immer und ewig auf dieser Erde weilen würden. Dort war das Lebenstempo auf ein Minimum reduziert. Alles war sauber und herausgeputzt. Nach 22 Uhr war an Wochentagen die Stadt wie ausgestorben. Die Schweizer ließen sich ungern aus der Ruhe bringen und begegneten mit Angst und Skepsis allem Fremden, was ihnen über den Weg lief. Schließlich war Zürich mit seinen 600.000 Einwohnern eine für Schweizer Verhältnisse große, provinzielle Stadt, die durch einen schönen Fluss und einen noch schöneren See geprägt wurde.
Solche Gedanken beschäftigten meinen müden Kopf beim Ausstieg aus dem Flieger. Die Schlange vor der Passkontrolle war lang und es ging nur langsam vorwärts.
„Ihr Beruf?“, brachte mich die schrille Stimme des Schweizer Grenzschutzpolizisten in die Realität zurück. Die Frage war nicht an mich, sondern an einen bulligen Russen gerichtet, der vor mir stand.
Zwei Welten stießen aufeinander: 
Der Schweizer war mager, hatte eine Brille, kurze Haare und machte in seiner sauberen Uniform einen pflichtbewussten Eindruck. Der Russe war kräftig, trug einen roten Jogginganzug, auf dem in Großbuchstaben „RUSSIA“ stand. Beide schauten sich für ein paar Sekunden an. In diesem Schweigen war Spannung spürbar.
„Ihr Beruf?“, wiederholte der Schweizer seine Frage.
Der Russe stand vor ihm und schaute ihn schweigend an. Er zuckte ahnungslos mit seinen Schultern.
Ich überlegte, ob ich ihm die Frage auf Russisch übersetzen sollte, wollte aber gerne noch etwas länger an diesem Gespräch teilhaben.
 „Occupation?“, zeigte der Schweizer seine Fremdsprachenkenntnisse.
Der Russe schaute mutig zurück. Er ließ sich nicht aus der Fassung bringen.
Er wiederholte laut vor sich hin:
„Occupation, occupation – occupy – AAAAA – OKUPATZIYAA“, sagte er mit fröhlicher Stimme, dass er endlich verstanden hatte, welche Auskunft von ihm verlangt wurde. Dann schüttelte er mehrmals kräftig verneinend den Kopf.
„NOOO, NOOO OCCUPATION – just holiday.“













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