The Danish Girl

The Danish Girl

„Dänemark ist ein kleines Stück Erde, auf dem die Frauen noch heil geblieben sind...“, sagte mir ein amerikanischer Rechtsanwalt.
„Wie meinst du das?“, fragte ich zurück.
Wir saßen an einer der Strandbars in Barcelona. Die sogenannten „Chiringuitos“ lieferten die passende Kulisse für solche Gespräche. Der Strand vor uns war voll mit schönen, sportlichen, fast nackten Körpern. Die Menschen sonnten sich und wir beobachteten sie dabei. Auf unserem Tisch stand eine gekühlte Flasche Rose´, der fruchtig schmeckte und perfekt zu der leichten Bosa Nova-Musik im Hintergrund passte. Der Himmel war blau. Die Sonne knallte. Man fühlte eine Leichtigkeit in der Luft, die freien Raum für Gedanken ließ. Eric, der Anwalt, war ein Mann, der viel gereist war und unterschiedliche Länder, Sitten und Frauen kennenlernt hatte. Er trug ein weißes Leinenhemd, das aufgeknöpft war und seine Brusthaare zur Schau stellte. Seine Meinung interessierte mich umso mehr, weil ich mit einer Dänin zusammen war.
„Na ja, die dänischen Frauen sind ehrlich und treu. Sie halten zu ihrem Mann“, sagte er.
Das stimmte. Meine Erfahrung konnte dies bestätigen. Nun gab es aber einige Aspekte der dänischen Mentalität, die ich nicht richtig verstand.
„Ich gebe Dir recht, Eric! Aber ich habe einiges einzuwenden, wenn Du den Begriff ´heil´ benutzt.“
„Was denn?“, fragte er.
Eric führte erfolgreich eine Rechtsanwaltskanzlei in New York und mochte nicht, wenn jemand mit seiner Meinung nicht einverstanden war. Der Erfolg führe bei Menschen oft dazu, dass sie selbstherrlich wurden. Eric war ein lebendiges Beispiel dafür.
„Wie Du weißt, bin ich seit knapp zwei Jahren mit einer Dänin zusammen und es gibt schon einige Punkte in ihrer Denkweise, die ich nicht so richtig nachvollziehen kann.“
„Zum Beispiel?“
„Zum Beispiel die Beziehung zwischen ihr und ihren Ex-Freunden.“
„Haben sie weiter Sex mit ihren Ex-Freunden?“, lachte er tückisch.
„Gott sei Dank ist das nicht der Fall, aber wie würdest du es finden, wenn deine Ex dich anrufen würde, um dir zu sagen, dass sie einen Heiratsantrag von ihrem neuen Freund bekommen hätte?“
„Kann ich mir schwer vorstellen, dass so was passieren kann. Ich pflege keinen Kontakt zu meinen Ex-Freundinnen. Die meisten von ihnen wollen mit mir nichts zu tun haben.“
„Na ja, siehst Du. Das war bei meiner Freundin der Fall. Ihr Ex rief sie an, um ihr das zu sagen. Stell Dir vor, nachdem sie 7 Jahre zusammen waren und erst seit zwei Jahren getrennt sind…“
„Wie hat sie darauf reagiert?“
„So wie die Dänen halt reagieren – cool und mit Humor. Sie hat ihm gesagt, dass er es dieses Mal nicht vergessen dürfe, seiner Geliebten einen schönen Ring zu kaufen.“
„Ist doch klasse! Sie konnte darüber lachen. Wenn man über etwas nicht lachen kann, hat man damit meistens ein Problem.“
„Na ja, das stimmt! Kurz darauf aber meldete sich ein anderer Ex bei ihr und wollte sie besuchen kommen und bei ihr übernachten, um seinen Liebeskummer aus einer frischen Trennung zu überwinden.“
„Scheint, dass deine Freundin ein gutes Verhältnis zu ihren Ex-Freunden hat.“
„Ja und nicht nur sie – wir fahren im Sommer zusammen mit ihrer Mutter zur Hochzeit vom Ex.“
„Der hat sich doch vor kurzem getrennt, oder?“
„Nein, derjenige mit dem Ring, mit dem sie 7 Jahre zusammen war.“
„Das klingt kultiviert.“
„Für mich klingt es eher wie ein Szenario aus einem Lars von Trier-Film. Nicht zufälligerweise ist er auch aus Dänemark.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, wir fahren hin. Ihre Mutter und der Freund der Mutter sind auch eingeladen.
So etwas wäre in Bulgarien blutig ausgegangen...“
„Na ja, das wäre auch in den USA in der Regel nicht möglich gewesen...“
„Um es abzuschließen, musst Du wissen, dass die neue Freundin vom Ex, also die zukünftige Braut, der Mutter meiner Freundin einen Dildo geschenkt hat.“
Eric machte große Augen und schüttelte seinen Kopf.
„Das glaube ich nicht! Die zukünftige Braut schenkt der Mutter deiner Ex einen Dildo?!“
„Nein, Eric, wir sind noch in Dänemark. Die zukünftige Braut hat der Mutter meiner Freundin in Kopenhagen einen Dildo geschenkt.“
„Das bringt mich durcheinander. Also die Frau, die den Ex Deiner Freundin heiraten wird, schenkte der Mutter Deiner Freundin einen Dildo. Richtig?“
„Richtig, Eric. Man merkt, dass Du ein erfolgreicher Rechtsanwalt bist.“
„Wow! Würde ich so ein Geschenk der Mutter meiner Ex-Frau in Texas machen, würde sie mich wegen Nötigung verklagen“, sagte er und wirkte eine Weile gedankenverloren.
Dann trank er einen Schluck Wein und fragte neugierig:
„Der Mutter etwas Gutes tun und ihr mit dem Geschenk eine Art „Männerersatz“ bescheren?“
„Nicht ganz. Die Mutter meiner Freundin hat körperliche Schmerzen. Die Braut von ihrem Ex ist eine tüchtige Geschäftsfrau, die unter anderem mit Dildos handelt. Sie gab ihr einen riesigen Dildo als Teil einer Untersuchung, die beweisen sollte, dass Orgasmen zur Verminderung von Schmerzen beitragen.“
„Ich sage dir, Mann, das ist eine heile Welt. Menschen helfen sich und beachten dabei keine Grenzen in sexueller und in erzieherischer Hinsicht.“
„Das kannst du gut auf den Punkt gebracht.“
„Ich habe in meinem Leben mehr als 100 Frauen aus verschiedenen Ländern gehabt“, fügte Eric hinzu.
„Für mich sind die Frauen so tief wie das Meer. Wenn man sie verstehen möchte, läuft man Gefahr zu ertrinken. Ich versuche deswegen nur mit den Wellen zu spielen.“
Danach schwieg er eine Weile und beobachtete das Meer. Danach erhob er sein Glas und sagte:
„Lass uns zum Wohl der Dänen und ihrer Kultur anstoßen!“

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