Die Bodenständigkeit der Oma


Die Bodenständigkeit der Oma

Miroslav kam nach dem Abschluss seines Informatikstudiums in Mannheim zu Besuch zu seiner Familie nach Bulgarien. Er wollte alle noch einmal sehen, bevor er in Deutschland ins Berufsleben einstieg.
Während der Probezeit von drei Monaten durfte man keinen Urlaub nehmen. Seine Eltern hatten ein großes Familienfest veranstaltet. Am Tisch gab es zahlreiche Spezialitäten: Schopska Salat, Musaka, mit Reis und Hackfleisch gefüllte Paprika, verschiedene Eintöpfe mit Fleisch, Gemüse und überbackenem Schafskäse sowie einige Flaschen Rotwein und den berühmten Pflaumenschnaps „Rakia“.  Alle Cousins und die nahe Verwandtschaft waren eingeladen. Alle waren neugierig zu erfahren, wie es Miroslav bislang ergangen war und was für einen Beruf er ergreifen würde.

„Ich habe als Schwerpunkt meiner Diplomarbeit die Anwendung von SAP bei den großen US-Technologieunternehmen gewählt und eine der Firmen mit Hauptsitz im Silicon Valley hat mir daraufhin einen Vertrag in ihrer Niederlassung in Düsseldorf angeboten, den ich angenommen habe“, erklärte er.

Im Wohnzimmer herrschte Stille. Am Tisch saßen bestimmt 15 Leute, die zur Familie zählten. Tante, Onkel, Oma, Opa, Cousins, Geschwister und Eltern hörten ihm aufmerksam zu.

„Ich werde Module programmieren, die zur Anwendung im B2B-Bereich eingesetzt werden.“, fügte Miroslav mit stolzer Stimme hinzu. 

Keiner verstand wirklich, was für einen Job Miroslav machen würde. Doch niemand wollte es zugeben, um nicht peinlich aufzufallen. So schwiegen alle. Seine Eltern aber schauten ihn mit einer Mischung aus Stolz und Bewunderung an. Schließlich hatte Miroslav es geschafft, im Westen einen Uni-Abschluss und einen Job zu finden.

„Miro, mein lieber Enkel, erklär´ mir das bitte noch einmal“, unterbrach seine Oma das Schweigen.
„Ist etwas unklar, Oma?“, fragte Miroslav zurück.
„Ich habe nicht verstanden, was genau du in Deutschland verkaufen wirst.“


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